Upcycling oder der Wert von Kleidung

Was ist Kleidung wert? Wenn du die Preise der Billigketten reflektierst, offensichtlich nicht viel. Und so ist dann auch das Verhalten: schnell und viel gekauft, schnell und viel entsorgt, ex und hopp Mentalität, Wegwerfgesellschaft. Tatsächlich ist der Wert insgesamt dann sogar negativ, wenn die Arbeit, die Arbeitsbedingungen der Näherinnen, der Verlader, Versender und Transporteure sowie dann auch der Entsorger mit berücksichtigt werden. Und schnelle Entsorgung ist auch nötig, weil nach kurzem Tragen und mehrfachem Waschen die Kleidung vor lauter Knötchen unansehnlich wird. Ich weiß, wovon ich rede. Bei manchen Stücken, die mir zum Upcycling gegeben werden, muss ich gar nicht auf das Etikett schauen. Bloß kurz angesehen und angefühlt und dann ist schon klar, welcher Anbieter das auf den Markt geschmissen hat. Das traurige Ende einer misslungenen Produktionskette heißt dann Mülltonne.

Ein Gegenbeispiel mit doppeltem Wert:

Upcycling unter Beteiligung Ururoma
gehäkeltes Krägelchen

Das Kleid für Leni wird für Leni und ihre kleine Schwester Lotta genutzt werden. Es hat einen Mehrgenerationenabdruck, den ich freudig erklären kann.

Der karierte Stoff stammt von meinem Umstandskleid. Die Frage der Schwiegertochter, wieso das noch existiert, kann ich beantworten. Es war die aufbewahrte Erinnerung an absolut beschwerdefreie, leichte Schwangerschaften, in denen offensichtlich der Hormoncocktail für ständiges Hochgefühl sorgte. Für Leni kann ich das jetzt weggeben und zerschneiden. Das Kleid wurde dann auch noch von der Schwägerin getragen. Der Stoff ist dennoch 1A, weil das Kleid ausgesucht gekauft wurde.

Der weiße Teil stammt von einem Herrenhemd, aber nicht von irgendeinem. Wie man sieht, habe ich die Knopfleiste übernommen. Damit ist die Frage geklärt, was macht man bloß mit abgelegten weißen Herrenhemden. Mit einem karierten Stoff, der auch weiß führt, geht das gut zusammen. Und es ist wie gesagt nicht irgendein Hemd. Es war das weiße Hemd meines Vaters. Das Haus meiner Eltern löse ich gerade auf. Mein Vater kaufte Kleidung mit hohem Anspruch und die Stoffe sind deshalb immer noch tipptopp, zu schade für die Mülltonne.

So haben nun schon zwei Generationen an dem Kleidchen mitgewirkt. Und es kommt noch weitreichender. Beim Auflösen des Hauses meiner Eltern fand ich Handarbeiten und Bettwäsche meiner Oma, also Lenis Ururoma. Ich weiß aus Erzählungen, dass eine Tante in Traben-Trabach ein Geschäft hatte und Bettwäsche verkaufte, die zuvor familiär genäht wurde. Ich weiß auch aus Erzählungen, dass man abends zusammensaß, erzählte, und die Frauen in Handarbeit Schönstes fertigten. Feinste Servietten mit Monogramm meiner Oma sind nun zu mir gewandert und werden benutzt werden! Wie zu der damaligen Zeit üblich, ist alles in Weiß gehalten und in bester Aussteuerqualität aus bester Baumwolle oder aus bestem Linnen gefertigt. Mikroplastik entsteht nicht beim Zerfall! Stattdessen habe ich Biofasern, die Kochwäsche, Dämpfen und Bleichen nicht übel nehmen. Das Gehäkelte stammt also von meiner Oma und war nach Kochen und Bleichen schön genug, um am Kleidchen für Leni Verwendung zu finden.

Was ist also der Wert des Kleidchens? …